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Moses

1919

Text zum Werk

»Ich habe diese Tage einen ordentlichen Klotz Holz fertiggehauen. 'Moses'. Ich bilde mir ein, ich bin damit ein Stück über mein Bisheriges hinaus.«

Stolz schrieb dies Ernst Barlach im April 1919 an seinen Freund, den Verleger Reinhard Piper. Der Moses, entstanden aus einem massiven Eichenholzbalken, ist mit seinen 1 Meter 89 die größte Einzelfigur, die Barlach je geschnitzt hat.

Er ist eine strenge Erscheinung, die Autorität  und Unnachgiebigkeit ausstrahlt und dabei dem Betrachter auf Augenhöhe gegenübersteht. Bei der Gestaltung der Gesichtszüge hat sich Barlach am Aussehen eines Bekannten orientiert. Die hohe Stirn, die hervortretenden Augenbrauen, die von Falten umrandeten Augen, die aufgeworfene Unterlippe ähneln dem Porträt des Dichters Reinhold von Walter. Zu dessen dramatischen Gedicht Der Kopf schuf Barlach 1919 eine Reihe von Holzschnitten.

Der Gesetzgeber Moses ist eine zentrale Gestalt in Christentum, Judentum und Islam. Die Legende besagt, er sei vom Berg Sinai herabgestiegen, um den Israeliten die von Gott offenbarten Zehn Gebote zu verkünden. Dicht vor sich hält er die schweren Gesetzestafeln. Auch der Satz 'Du sollst nicht töten' müsste dort stehen, doch bei Barlachs Skulptur sind die Tafeln leer. 1919, unmittelbar nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, war auch das Fünfte Gebot längst außer Kraft gesetzt.

Barlach befreite seinen Moses von der Festlegung auf die religiöse Erzählung, dafür fand die Haltung des Künstlers zur Zeitgeschichte einen deutlichen Widerhall. Der Krieg war ein Zivilisationsbruch, und Barlach beobachtete sorgenvoll die gewalttäigen Auseinandersetzungen zwischen den polarisierenden Kräften um eine neue politische Ordnung. Die leeren Tafeln seiner Moses-Figur spiegeln das gesellschaftliche Vakuum und mahnen die Neuformulierung ethischer Werte an.

 

Werkdaten

Titel Moses
Datierung 1919
Reihe, Serie
Material, Technik Holz (Eiche) mit getöntem Überzug
MAßE 189,7 x 46 x 46 cm
Signatur Unten rechts am Sockel: E Barlach / 1919
Bezeichnung Nicht bezeichnet
Sammlungsbereich Skulptur und Plastik
Inventar-Nr. P 1954/001
Werkverzeichnis Laur II 0273
Bemerkung
Auflage
Erwerbung Als Stiftung von Hermann F. Reemtsma, Hamburg, 1962
Provenienz
  • Paul Cassirer, Berlin
  • 1919 Elsa Wolff, Hamburg
  • 1947 Leihgabe an das Ernst-Barlach-Archiv auf Röndahl bei Salzhausen
  • 1951-1955 Leihgabe in der Hamburger Kunsthalle
  • 1954 Hermann F. Reemtsma, Hamburg
Creditline © Ernst Barlach Haus – Stiftung Hermann F. Reemtsma, Hamburg; Foto: Andreas Weiss