Text zum Werk
Nach dem Wanderer und der Tänzerin war die Träumerin die dritte Figur, die Barlach für den Fries der Lauschenden gestaltete.
Das glatte Gewand dieser Lauschenden bildet mit dem über den Kopf gelegten Tuch ein völig geschlossenen Umriss und bindet die aufrecht stehende, schlanke Gestalt in die Form eines länglichen Ovals ein.
Die in stiller Haltung verharrende Träumende kehrt sich von der Außenwelt ab und konzentriert sich mit geschlossenen Augen auf die Wahrnehmung eines inneren Vorgangs. Die glatten, entspannten Züge des leicht zur Seite geneigten Gesichts lassen erkennen, dass sich die anmutige Frau in einem Zustand des seelischen Friedens und Glücks befindet. Die verhaltenen Wölbungen der glatten Oberfläche, die durch die Maserung des goldgelb getönten Holzes belebt wird, folgen den sanften Rundungen des weiblichen Körpers. Die an den Leib gelegten Hände setzen gegen die vertikalen Züge der Komposition einen horizontalen Akzent, der die flach gespannte Wölbung der Bauchpartie betont und damit auf die Schwangerschaft der Frau hinweist. Die schrägen Einschnitte am Kopftuch und an der unteren Kante des Gewandes bilden klar abgegrenzte Schattenzonen, die die Plastizität der Wandfigur betonen.
Als Barlach die Träumende im Oktober 1931 an die Auftraggeber übergeben ließ, hatten sich deren Lebensverhältnisse dramatisch verändert. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise war der große Konzern von Ludwig Katzenellenbogen in eine prekäre Lage geraten. Im Oktober wurde Katzenellenbogen unter der Anklage, illegale Finanztransaktionen verantwortet zu haben, verhaftet; wenig später wurde sein Vermögen gepfändet. Nachdem die regelmäßigen Zahlungen für den Auftrag zum Fries der Lauschenden bereits zwei Monate zuvor eingestellt worden waren, musste Barlach nun die Hoffnung auf eine Fortsetzung der Honorierung für dieses Werk aufgeben. Die Eheleute Durieux-Katzenellenbogen befanden sich auch nach Abschluss des Prozesses im Frühjahr 1932 in einer finanziell bedrängten Situation. Wegen ihrer persönlichen Bedrohung durch den nationalsozialistischen Terror mussten sie sich am 31. März 1933 überstürzt zur Emigration entschließen. Nach schwierigen Verhandlungen zwischen dem nun ebenfalls in eine materielle Notlage geratenen Künstler und dem Auftraggeber kam es im Herbst 1933 zu einer einvernehmlichen Auflösung des Vertrags, die es Barlach ermöglichte, die drei fertig gestellten Figuren in die Planung der Ausführung des Frieses für einen neuen Auftraggeber einzubeziehen.
Werkdaten
Titel | Die Träumende |
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Datierung | 1931 |
Reihe, Serie | Fries der Lauschenden |
Material, Technik | Holz (Eiche) mit getöntem Überzug |
MAßE | 109,4 x 21,5 x 11,8 cm |
Signatur | Auf dem Sockel links: E Barlach / 1931 |
Bezeichnung | Nicht bezeichnet |
Sammlungsbereich | Skulptur und Plastik |
Inventar-Nr. | P 1934/001 |
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Werkverzeichnis | Laur II 0472 |
Bemerkung | – |
Auflage | – |
Erwerbung | Als Stiftung von Hermann F. Reemtsma, Hamburg, 1962 |
Provenienz |
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Creditline | © Ernst Barlach Haus – Stiftung Hermann F. Reemtsma, Hamburg; Foto: Andreas Weiss |